Erstmals seit der Einführung des Euro ist die Inflation im Euroraum über die Marke von zehn Prozent geklettert. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Verbraucherpreise um 10,7 Prozent, teilte das EU-Statistikamt Eurostat in einer ersten Schätzung am Montag mit. Volkswirte hatten im Vorfeld „nur“ mit einer Rate von 10,3 Prozent gerechnet. Im Vormonat hatten die Verbraucherpreise im Euroraum um 9,9 Prozent zugelegt.
Inflation fünfmal höher als EZB-Ziel
Der erneute und unerwartet kräftige Preisschub macht klar, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Zinserhöhungskurs noch nicht am Ziel angelangt ist. „Mit 10,7 Prozent liegt die Inflation schon jetzt meilenweit über den 9,2 Prozent, die die EZB für das vierte Quartal erwartet“, erklärte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Auf diese Inflationsrisiken sollte sich die EZB gemäß ihres Mandats auf der Dezember-Sitzung konzentrieren – und nicht auf die Rezessionsrisiken“.
Euro area #inflation up to 10.7% in October 2022: energy +41.9%, food, alcohol & tobacco +13.1%, other goods +6.0%, services +4.4% – flash estimate https://t.co/b9t9sOMDLM pic.twitter.com/NbsakF4eVe
— EU_Eurostat (@EU_Eurostat) October 31, 2022
Schauen „wirtschaftlich in einen kalten, dunklen Abgrund“
Eurostat |
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Das Statistische Amt der Europäischen Union (kurz Eurostat) wurde 1953 für die Zwecke der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) gegründet. Sie ist die Verwaltungseinheit der EU zur Erstellung amtlicher europäischer Statistiken, ist dem Kommissar für Wirtschaft und Währung zugeordnet und hat ihren Sitz in Luxemburg. |
Nichtsdestotrotz hat sich die Wirtschaft der Eurozone im Sommer besser entwickelt als erwartet. Im dritten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Euroländer zum Vorquartal um 0,2 Prozent. Dennoch hat die Konjunktur mittlerweile deutlich an Fahrt verloren: Im Frühjahr hatte das Wachstum noch bei 0,8 Prozent gelegen. Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession inzwischen größer geworden. Elmar Völker, Analyst bei der LBBW, gab sich ebenfalls pessimistisch: „Auch wenn das Wetter noch vergleichsweise milde ist, schauen wir wirtschaftlich in einen kalten, dunklen Abgrund“. Nach Einschätzung von Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Union Investment, wird die Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr rückläufig sein. „Die Gründe dafür sind vor allem die hohen Energiepreise, die mittlerweile nicht mehr nur die Industrie, sondern auch den Dienstleistungssektor belasten“.