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Rezession in Sicht: ifo-Geschäftsklimaindex rutscht erneut ab

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im September nochmals deutlich verschlechtert. Der vom Münchner ifo-Institut ermittelte Geschäftsklimaindex fiel von 88,6 Punkten im August auf 84,3 Punkte im September. Dies ist der niedrigste Wert seit Mai 2020. „Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession“, erklärte ifo-Chef Clemens Fuest. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten zuvor nur mit einem Rückgang auf 87,0 Punkte gerechnet.

Erwartungen im Einzelhandel auf historischem Tief

Die rund 9.000 befragten Unternehmen bewerteten sowohl ihre aktuelle Lage als auch die zu erwartende Entwicklung schlechter. Das Geschäftsklima trübte sich auch in allen betrachteten Sektoren ein, also in der Industrie, unter Dienstleistern, im Handel und im Baugewerbe. Im Einzelhandel seien die Geschäftserwartungen sogar auf ein historisches Tief gefallen, so das ifo-Institut. „Der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate hat deutlich zugenommen“, sagte Fuest. Die Industrie schaue mit großer Sorge auf das nächste halbe Jahr. Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe betonte: „Wir sehen ein dickes Minus auf allen Fronten“. Vor allem die energieintensiven Branchen blickten äußerst pessimistisch auf den Winter. Die Erwartungen seien zuletzt im April 2020 so negativ gewesen.

Der gesamte ifo-Index signalisiere mehr denn je eine Rezession im Winterhalbjahr, betonte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Der Energiepreisschock lasse die Kaufkraft der Konsumenten einbrechen und mache die Produktion vieler Unternehmen unrentabel. „Deutschland ist durch die massiv verteuerten Energieimporte ärmer geworden“, sagte Krämer. „Wir stehen vor einem wirtschaftlich schwierigen Winter“.

Chinas Corona-Politik belastet Welthandel

INFO-BOX:
Ifo-Institut
Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung wurde 1949 gegründet und hat seinen Sitz in München. Es beschäftigt sich mit der Analyse der Wirtschafts-politik und erstellt monatlich den Ifo-Geschäftsklimaindex. Das Ifo-Institut ist als An-Institut mit der Ludwig-Maximilians-Universität München assoziiert. Derzeitiger Präsident ist der Ökonom Clemens Fuest.
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Die deutsche Wirtschaft leidet unter einer Vielzahl krisenhafter Entwicklungen. Allen voran steht der Krieg Russlands in der Ukraine, der die Unsicherheit erhöht hat. Hinzu kommen die Energiekrise, Probleme im Welthandel und steigende Leitzinsen, die Kredite verteuern. Außerdem ist die Corona-Pandemie nicht überwunden. Vor allem Chinas Anti-Corona-Politik sorgt immer wieder für Belastungen im Welthandel, etwa weil der Betrieb in Häfen oder Fabriken wegen Eindämmungsmaßnahmen gestört ist. Und der italienische Wahlausgang mit all den Unsicherheiten für den Euroraum ist in den neuen Zahlen noch nicht einmal eingepreist.

Im Frühjahr hat die deutsche Wirtschaft trotz der Folgen des Ukraine-Krieges noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent geschafft. Derzeit sind die Perspektiven wegen der verschärften Energiekrise und der hohen Inflation aber düster. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Wirtschaft im zu Ende gehenden Sommer-Quartal voraussichtlich etwas schrumpft, dann Ende 2022 und Anfang 2023 sogar merklich Fahrt verliert.

Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gibt sich pessimistisch und erwartet 2023 einen Rückgang der deutschen Wirtschaft. Sie rechnet für das kommende Jahr mit einem Schrumpfen um 0,7 Prozent – das sind 2,4 Punkte weniger als noch im Juni prognostiziert. Im laufenden Jahr traut die OECD der deutschen Wirtschaft ein Wachstum von 1,2 Prozent zu – 0,7 Punkte weniger als bisher. Zudem rechnet sie mit einer weiterhin sehr hohen Inflation. Für Deutschland wird 2022 eine Teuerungsrate von 8,4 Prozent erwartet, 2023 dann von 7,5 Prozent. Das sind 1,2 beziehungsweise 2,8 Punkte mehr als bisher.