home Politik EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung verstösst gegen EU-Recht

EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung verstösst gegen EU-Recht

Die deutsche Vorratsdatenspeicherung ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht gespeichert werden, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen sei eine begrenzte Datenspeicherung zulässig. Die Speicherpflicht für Telekommunikationsanbieter wird von der Bundesnetzagentur seit 2017 aber ohnehin nicht durchgesetzt.

Speicherung nur bei Bedrohung der nationalen Sicherheit

Bei einer ernsten aktuellen oder vorhersehbaren Bedrohung für die nationale Sicherheit dürften Verkehrs- und Standortdaten indes allgemein vorübergehend gespeichert werden, erklärte der EuGH. Zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit dürften Telekommunikationsanbieter für einen begrenzten Zeitraum dazu verpflichtet werden, bestimmte Daten zu speichern. Der EuGH bestätigte mit dem heutigen Urteil seine bisherige Rechtsprechung. Das Unionsrecht stehe nationalen Vorschriften entgegen, „die präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen“, erläuterte das Gericht.

Buschmann: Guter Tag für die Bürgerrechte

Die Vorratsdatenspeicherung war seit Jahren in Deutschland umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Frage nach der Rechtmäßigkeit dem EuGH vorgelegt, nachdem die Telekommunikationsanbieter Telekom und SpaceNet dagegen geklagt hatten. Bundesjustizminister Marco Buschmann nannte das Urteil auf Twitter „historisch“ und sprach von einem „guten Tag für die Bürgerrechte“. Der FDP-Politiker sprach sich dafür aus, die deutsche Regelung „zügig und endgültig“ aus dem Gesetz zu streichen.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), erklärte nach dem Urteil, der Koalitionsvertrag spreche eindeutig davon, „dass künftig nur noch anlassbezogene Datenspeicherungen erfolgen sollen, die dann nach richterlicher Genehmigung genutzt werden dürfen“. Er verwies auf das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten erst gesammelt (eingefroren) werden, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Dies schone die Grundrechte und stelle nicht alle Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht, so Strasser.

Faeser: Behörden brauchen Befugnisse auf Höhe der Zeit

Das Urteil könnte nun weiteren Zündstoff für die Ampel-Koalition bedeuten. Denn in den Koalitionsverhandlungen hatte die FDP mit Macht auf eine Vereinbarung zur Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung gedrungen. Anders positionierte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin hatte kürzlich beim Jahresempfang der Sicherheitsbehörden betont, Polizei und Verfassungsschutz bräuchten Eingriffsbefugnisse auf der Höhe der Zeit. Zumindest zur besseren Verfolgung von sexuellem Missbrauch von Kindern sollten IP-Adressen gesichert werden können.

Jedoch sehen auch die Grünen nach dem heutigen EuGH-Urteil keine Zukunft für die Vorratsdatenspeicherung mehr. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, und der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg erklärten, für eine wie auch immer geartete Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung sehe man „weder rechtlichen noch politischen Spielraum“. Sie gehöre „auf die Müllhalde der Geschichte“.