home Politik, Wirtschaft Zinswende in Sicht? EZB drosselt Anleihekäufe schneller als geplant

Zinswende in Sicht? EZB drosselt Anleihekäufe schneller als geplant

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt den Leitzins unverändert bei null Prozent und behält ihre Anleihekäufe zunächst bei. Das gab der EZB-Rat, das oberste geldpolitische Gremium der Notenbank, am Donnerstag in Frankfurt am Main bekannt. Der sogenannte Einlagensatz verbleibt bei minus 0,5 Prozent. Banken müssen damit weiterhin Negativzinsen auf ihre Einlagen bei der EZB zahlen.

Inflationsrate im Jahresschnitt bei über fünf Prozent

Angesichts rasant steigender Preise ebnete die Notenbank jedoch zwei Wochen nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine auch den Weg für eine Zinswende. So beschloss der EZB-Rat, das Kaufvolumen des Anleihe-Kaufprogramms APP nach einer vorübergehenden Aufstockung bereits Ende Juni wieder auf 20 Milliarden Euro herunterzufahren und im dritten Quartal dieses Jahres möglicherweise ganz zu beenden. Dies jedoch unter der Bedingung, dass sich der Inflationsausblick nicht eintrübe. Nach der am Donnerstag vorgelegten Prognose rechnet die Zentralbank für das laufenden Jahr mit einer Teuerungsrate von 5,1 Prozent und damit deutlich höher als bisher angenommen. Im Dezember war die Notenbank noch von 3,2 Prozent ausgegangen. Für 2023 rechnen die Währungshüter mit einer Inflation von 2,1 Prozent, ein Jahr später soll sie dann auf 1,9 Prozent zurückgehen.

Lagarde: Krieg in der Ukraine „Wendepunkt für Europa“

„Der Ukrainekrieg wird durch höhere Energie- und Rohstoffpreise, die Unterbrechung des internationalen Handels und ein schwächeres Vertrauen beträchtliche Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation haben“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung. Zugleich versicherte sie, man werde „alles Notwendige“ tun, um Preis- und Finanzstabilität zu gewährleisten. Die russische Invasion sei ein „Wendepunkt für Europa“. Sie schaffe ein unsicheres Umfeld mit dem Risiko, dass auch Finanzmärkte der Eurozone hineingezogen werden könnten. Der EZB-Rat werde die vom Westen beschlossenen Sanktionen umsetzen.

Kritiker werfen der EZB schon seit längerer Zeit vor, mit ihrer Politik des billigen Geldes die Inflation noch anzuheizen. Nach den heutigen Erläuterungen rechnen einige Volkswirte mit einer ersten Zinserhöhung Ende des Jahres. Lagarde selbst sprach von einer Erhöhung „eine Weile“ nach Beendigung des Kaufprogramms. Man spreche hier zudem nicht von einer Straffung der Geldpolitik, „sondern von einer Normalisierung“. Die Erhöhung des APP auf 40 Milliarden Euro im kommenden Monat hängt mit dem Auslaufen des Corona-Notfall-Kaufprogramms PEPP zusammen. Dieses endet Ende März, mit der Erhöhung des APP soll ein sogenannter Klippeneffekt vermieden werden.

DIW: Zehn Prozent Inflation bei Eskalation des Krieges

INFO-BOX:
Leitzins
Der Leitzins ist das zentrale Element zur Steuerung der Geldpolitik und wird von einer Zentralbank im Rahmen ihrer Geldpolitik einseitig festgelegt. Er gibt an, zu welchem Zinssatz die Zentralbank mit ange-schlossenen Banken Geschäfte abschließt. Der EZB-Leitzins erreichte sein bisheriges Maximum mit 4,75 Prozent im Oktober 2000, seit März 2016 stand er bei 0,00 Prozent. Ab Juli 2022 erfolgte wieder eine schrittweise Anhebung auf aktuell 3,00 Prozent.
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Dem parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), gehen die heute verkündeten Maßnahmen der Zentralbank nicht weit genug. „Im Grunde hat die EZB das entscheidende Problem heute erneut vertagt: Etwas weniger Anleihekäufe ja, Zinsschritt möglicherweise irgendwann. Sie bleibt damit deutlich hinter der amerikanischen Notenbank zurück. Das ist ein riskanter Zug und wird die Inflation nicht nachhaltig eindämmen können“, erklärte Frei gegenüber der „Bild“.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte im Zuge des Krieges in der Ukraine vor noch deutlich höheren Inflationsraten. „Wahrscheinlich wird es im laufenden Jahr Inflationsraten von deutlich über fünf Prozent geben“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Im Fall einer Eskalation des Kriegs und immer neuer Sanktionen kann es sogar Richtung zehn Prozent gehen“.

In den USA sind die Verbraucherpreise im Februar indes so stark gestiegen wie seit 40 Jahren nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten im Schnitt 7,9 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, teilte das Arbeitsministerium mit. Das ist der höchste Wert seit Januar 1982. Die US-Notenbank Fed steuert daher auf eine Zinswende zu. Aktuell liegt der US-Leitzins bei einer Spanne von 0,0 bis 0,25 Prozent. Die Finanzmärkte rechnen noch in diesem Monat mit einem ersten Schritt nach oben, weitere Anhebungen dürften folgen.